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Personen im Anzügen Betreten ein Foyer
Beitrag vom 20.02.2024

Flexibilisierung von Arbeitszeit

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Claudia Hahn, Stuttgart - 

Flexible Arbeitszeit ist das Mittel der Wahl, um betriebliche mit persönlichen Belangen der Beschäftigten in Einklang zu bringen. Nicht zuletzt seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21) zur Pflicht, Arbeitszeiten zu erfassen, haben flexible Arbeitszeitsysteme neue Relevanz erhalten: Auch bei unsteter Verteilung der Arbeitszeit, die von Beschäftigten eigenverantwortlich vorgenommen werden kann, sind Arbeitgeber verpflichtet, die Zeiten zu erfassen. Das BAG hat dies mit § 3 ArbSchG begründet. Bei flexibler Arbeitszeit wird die geschuldete Zeit pro Woche oder pro Monat vereinbart, für die es eine verstetigte Vergütung gibt. Im Ausgleichszeitraum, der von einer Woche bis zu einem ganzen Arbeitsleben dauern kann, müssen Beschäftigte die geschuldete Arbeitszeit vollständig erbringen. Innerhalb der vertraglichen Grenzen kann der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und die Lage sowie die Verteilung der Arbeitszeit gestalten.

Ein Vorteil flexibler Arbeitszeitsysteme liegt darin, dass Beschäftigte selbst entscheiden, wann sie arbeiten. Arbeitgeber vermeiden Zuschläge für Überstunden und, sofern das Direktionsrecht vorbehalten bleibt, wird Arbeit nur dann geleistet, wenn sie gebraucht wird.

Flexible Arbeitszeitsysteme lassen sich danach unterscheiden, ob die Lage und Verteilung der Arbeitszeit verändert wird wie z.B. bei allen Gleitzeitsystemen und der Vertrauensarbeitszeit, oder ob auch die Dauer der Arbeitszeit verändert wird. Diese chronometrischen Arbeitszeitsysteme finden wir bei Mehrarbeit, Kurzarbeit, aber auch bei Arbeit auf Abruf, wie sie mit der Flexibilisierung „nach oben“ oder „nach unten“ möglich ist, § 12 TzBfG. Die Bundesregierung hat im April 2023 einen Gesetzentwurf zur Zeiterfassungspflicht vorgelegt. Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen, dass sie die Arbeitszeiten elektronisch erfassen, denn eine Ausnahme soll es nur für Arbeitgeber mit bis zu zehn Beschäftigten geben. Es sollen Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit dokumentiert werden. Ausnahmen könnten Tarif- und Betriebspartner vereinbaren.

Zwei Dinge sind wichtig: Zum einen sieht das Arbeitszeitgesetz bisher keine Bußgeldtatbestände vor, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeiten nicht voll erfasst. Bußgeld droht nur, wenn die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes nicht eingehalten oder diejenigen Arbeitszeiten nicht aufgezeichnet werden, die werktäglich über acht Stunden hinausgehen, § 16 II ArbZG.

Zum anderen muss jeder Arbeitgeber die schwierige rechtliche Aufgabe bewältigen zu entscheiden, was denn Arbeitszeit im Sinne des ArbZG ist. Denn nur diese wird von den Grenzen des ArbZG und der Aufzeichnungspflicht erfasst. Nicht als Arbeitszeit zählen z.B. Zeiten zwischen zwei Rufbereitschaftseinsätzen oder der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte oder die Zeit, in der Arbeitnehmer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Termin reisen und währenddessen nicht arbeiten; sie sind aber wohl Arbeitszeit im Sinne der Vergütung. Wenn nichts anderes vereinbart ist, sind „Zusammenhangstätigkeiten“ wie Reisen und Umkleiden vergütungspflichtig – Arbeitgeber können und sollten das regeln.

Ob es nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes noch Vertrauensarbeitszeit geben wird? Zweifel sind angebracht, denn den Verzicht auf die Zeiterfassung werden die Vertragspartner nur regeln können, wenn Beschäftigte wegen besonderer Merkmale der Tätigkeit ihre Arbeitszeit nicht messen können, wenn die Arbeitszeit im Voraus feststeht oder von Beschäftigten selbst festgelegt werden kann. Es bleibt also spannend.

Dieser Text wurde veröffentlicht im BRAK-Magazin, Ausgabe 4/2023. Das gesamte Heft kann hier abgerufen werden: DAI Aktuell - BRAK Magazin August 2023 - Ausgabe 4/2023